Zwei neue Studien sagen schwere Folgen der Erderwärmung voraus
Die Stadt New York verklagt Ölkonzerne wie BP oder Chevron. Hauptanklage: Die Fossilkonzerne seien verantwortlich für Klimaschäden in der Stadt. New York besteht aus mehreren Inseln und Halbinseln und hat etwa 1.000 Kilometer Küstenlinie. Bereits heute müssen immense Summen dafür ausgegeben werden, um sich gegen den steigenden Meeresspiegel zu wappnen.
Eine neue Studie schlägt nun Alarm: Der Meeresspiegel steigt nicht wie bislang prognostiziert, sondern jedes Jahr ein bisschen schneller. Bis zum Jahr 2100 wird der Wasserpegel demnach weltweit sogar um mehr als das Doppelte ansteigen, als in den bisherigen Prognosen vorausgesagt wurde. Das geht aus Berechnungen hervor, die eine Gruppe Wissenschaftler rund um den Geophysiker Steve Nerem veröffentlichte.
Der Anstieg des Meeres ist längst messbar, seit 1933 sammelt der britische Meeresspiegeldienst die Fluthöhen von Häfen in aller Welt. Die Daten zeigen: Seit 1993 stieg der Pegel weltweit um durchschnittlich drei Millimeter pro Jahr. Verantwortlich ist zum einen das Schmelzen der Eisschilde, zum anderen der Umstand, dass Wasser sich bei Erwärmung ausdehnt.
Der Meeresspiegel steigt schneller als erwartet
In den jetzt ausgewerteten Daten mussten die Forscher jedoch feststellen, dass sich dieser durchschnittliche Anstieg jedes Jahr um 0,08 Millimeter beschleunigt. Klingt nicht viel. Wenn aber zu 0,08 Millimetern im ersten Jahr im nächsten 0,08 Millimeter und im darauffolgenden 0,08 Millimeter hinzukommen, ergibt sich daraus eine exponentielle Kurve mit stets zunehmenden Anstiegsraten.
„Die neue Studie stellt sehr glaubhaft dar, dass es eine Beschleunigung des Anstiegs gibt“, urteilt Klimaforscher Ingo Sasgen vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Der Prognose zufolge könnte der Anstieg im Jahr 2100 schon bei etwa zehn Millimetern pro Jahr liegen. Der durchschnittliche Pegel läge dann an den Küsten um 65 Zentimeter höher als im Jahr 2005. Für New York bedeutete dies: Der Battery Park in Manhattan stünde genauso unter Wasser wie die Wall Street. Weltweit leben 130 Millionen Menschen in tiefen Küstenbereichen bis zu einem Meter über Normalnull. Bisherige Prognosen gingen von „nur“ etwa 30 Zentimetern Anstieg aus.
Doch nicht nur der Meeresspiegel bereitet den Forschern Sorgen: Sie fürchten auch eine Störung des Golfstroms im Nordatlantik. Diese Meeresströmung, die Europa mit Wärme aus der Karibik versorgt und das weltweite Klimasystem stabilisiert, hat sich neuen Daten zufolge seit dem Jahr 1950 stark reduziert.
Der Golfstrom hat sich bereits um 15 Prozent abgeschwächt
„Wir legen Hinweise vor, dass sich das System seit Mitte des 20. Jahrhunderts um 15 Prozent abgeschwächt hat“, heißt es in einer Studie, die im April im Fachblatt Nature erschien.
„Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist der Hauptverdächtige für diese beunruhigenden Beobachtungen“, erklärte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), an dem einige Autoren der Studie arbeiten. Die Forschergruppe aus Potsdam, Athen, Madrid und Princeton wertete Messdaten etwa von Wassertemperatur und Strömungen aus und speiste mit diesen neue, exaktere Klimamodelle.
Der Golfstrom funktioniert wie ein gigantisches Förderband von der afrikanischen Westküste quer über den Atlantik zur Karibik, wo sich das Wasser aufheizt. Christoph Columbus konnte „Westindien“ nur entdecken, weil er auf dieser Meeresströmung bis nach Amerika segelte. Zurück nach Spanien schaffte er es nur, weil er wieder dem Golfstrom folgte, der sich an der nordostamerikanischen Küste zurück bis an die Küsten Europas schlängelt. Die mit diesem Wasserkreislauf verbundenen Temperaturmuster der Meeresoberfläche haben enormen Einfluss auf das Wetter. Änderungen werden weitreichende Folgen weltweit haben.
Und dann ist da noch die Ozeanversauerung, „der böse kleine Bruder der Klimaerwärmung“, wie es Felix Mark vom Alfred-Wegener-Institut formuliert. Seit Jahren sinkt durch unsere Treibhausgasproduktion der pH-Wert in den Weltmeeren. Das sauer werdende Wasser zerstört die Pflanzen- und Tierwelt im Ozean. Vor allem die vielen Kalkbildner – Muscheln, Schnecken, Korallen – haben es zunehmend schwer.
Nick Reimer